Es ist zu unterscheiden ob es sich um eine Vermögensbildung oder unterhaltsrelevante Abzugsposition handelt. Dabei muss der Vorteil des mietfreien Wohnens (§ 100 BGB) berücksichtigt werden.
§ 100 BGB
Nutzungen
"Nutzungen sind die Früchte einer Sache oder eines Rechts sowie die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt."
Dazu wird ein sogenannter Wohnwert bei der Berechnung des Unterhalts berücksichtigt. Bereits in einem anderen Artikel wurde darauf hingewiesen "Hinweise zur Berechnung des Elternunterhalts":
Ist die Immobilie noch nicht lastenfrei, also ist immer noch Kredit finanziert, werden Zins und Tilgung in der Berechnung bzw. Ermittlung des zu berücksichtigen Wohnwerts zum Teil berücksichtigt. Der BGH hat mit dem Urteil (XII ZB 118/16) vom 18.1.17 Klarheit darüber geschaffen, welche Schrittfolge beim Abzug von Tilgungsleistungen berücksichtigt werden kann.
Wenn Kinder oder Eltern für ein Familienmitglied in gerader Linie im Pflegefall haften und zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet werden, dann bleibt eine angemessene selbstgenutzte Immobilie grundsätzlich unberücksichtigt. Mit Urteil vom 07.08.2013 (XII ZB 269/12) hat der BGH dies bestätigt. Jedoch muss die Immobilie angemessen sein und dies wird beurteilt nach Größe, Lage, Zustand, Ausstattung, Zahl der Bewohner, Wert des Grundstücks und Gebäude, usw..Was bedeutet aber „eine angemessene selbstgenutzte Immobilie“? Dazu wurde bereits kurz informiert unter folgenden Artikel:
1. Beispiel: Eine Person im Einfamilienhaus/Eigentumswohnung
Der angemessener Wohnwert beträgt: 60m² x 10 Euro (Vergleichsmiete „kalt“) = 600 Euro Wohnwert
Zinsabzug, mtl. Zinsen 400 Euro: 600 Euro – 400 Euro (Zins) = 200 Euro Wohnwert
2. Beispiel:
Der angemessener Wohnwert beträgt: 60m² x 10 Euro (Vergleichsmiete „kalt“) = 600 Euro Wohnwert
Zinsabzug, mtl. Zinsen 500 Euro: 600 Euro – 500 Euro (Zins) = 100 Euro Wohnwert
3. Beispiel:
Der angemessener Wohnwert beträgt: 60m² x 10 Euro (Vergleichsmiete „kalt“) = 600 Euro Wohnwert
Zinsabzug, mtl. Zinsen 600 Euro: 600 Euro – 600 Euro (Zins) = 0 Euro Wohnwert
Angenommen die Tilgungsaufwendungen belaufen sich auf monatlich 100 Euro. Das Beispiel berücksichtigt eine Person im Einfamilienhaus/Eigentumswohnung.
1. Beispiel: monatlicher Zinsanteil 400 Euro und Tilgungsanteil 100 Euro
a) Der angemessener Wohnwert beträgt: 60m² x 10 Euro (Vergleichsmiete „kalt“) = 600 Euro Wohnwert
b) Zinsabzug, mtl. Zinsen 400 Euro: 600 Euro – 400 Euro (Zins) = 200 Euro Wohnwert
c) Wohnvorteil: 200 Euro Wohnwert - 100 Euro Tilgung = 100 Euro Wohnvorteil (positiver Wohnvorteil)
d) Erhöhung des Nettoeinkommes um: 100 Euro Wohnvorteil
e) Nettoeinkommen: 3.100 Euro + 100 Euro Wohnvorteil - 290 Euro (5%)
Fiktives Nettoeinkommen = 2.910 Euro
2. Beispiel: monatlicher Zinsanteil 500 Euro und Tilgungsanteil 150 Euro
a) Der angemessener Wohnwert beträgt: 60m² x 10 Euro (Vergleichsmiete „kalt“) = 600 Euro Wohnwert
b) Zinsabzug, mtl. Zinsen 500 Euro: 600 Euro – 500 Euro (Zins) = 100 Euro Wohnwert
Zins und Tilgung zusammen sind jetzt um 50 Euro höher als der Wohnwert. Die Gesamtzinsen sind in diesem Beispiel jedoch kleiner als der Wohnwert. Im zweiten Schritt der Berechnung wird der Tilgungsanteil wie folgt berücksichtigt:
c) Wohnvorteil: 150 Euro Tilgung - 100 Euro Wohnwert = -50 Euro Wohnvorteil (negativer Wohnvorteil)
d) Nettoeinkommen: 3.100 Euro - 50 Euro Wohnvorteil - 240 Euro (5%; 290 Euro - 50 Euro))
Fiktives Nettoeinkommen = 2.810 Euro
3. Beispiel: monatlicher Zinsanteil 500 Euro und Tilgungsanteil 400 Euro
a) Der angemessener Wohnwert beträgt: 60m² x 10 Euro (Vergleichsmiete „kalt“) = 600 Euro Wohnwert
b) Zinsabzug, mtl. Zinsen 600 Euro: 600 Euro – 500 Euro (Zins) = 100 Euro Wohnwert
Zins und Tilgung zusammen sind jetzt um 300 Euro höher als der Wohnwert. Die Gesamtzinsen sind in diesem Beispiel jedoch kleiner als der Wohnwert. Im zweiten Schritt der Berechnung wird der Tilgungsanteil wie folgt berücksichtigt:
c) Wohnvorteil: 400 Euro Tilgung - 100 Euro Wohnwert = -300 Euro Wohnvorteil (negativer Wohnvorteil)
d) Nettoeinkommen: 3.100 Euro - 290 Euro maximaler Vorsorgebetrag (da komplett ausgeschöpft wird)
Fiktives Nettoeinkommen = 2.810 Euro
Es besteht grundsätzlich ein Zusammenhang zwischen Altersvorsorgebeiträge, dem Wohnvorteil und den Tilgungsleistungen. Die allgemeine Meinung, dass der Tilgungsanteil nicht abgezogen werden kann und ausschließlich im Rahmen der abzugsfähigen Vermögensbildung berücksichtigt wird, ist mit dem aktuellen Urteil wiederlegt. Zu beachten ist, dass bei einer Scheidung ab Stellung des Scheidungsantrags für die ausziehende Person die Finanzierungs-Anteile nicht mehr berücksichtigt (BGH FamRZ 2007,880) werden. Angenommen, das die unterhaltsverpflichtende Person hat folgendes Einkommen:
Brutto-Einkommen: monatlich 5.800 Euro + 5% = max. 290 Euro abzugsfähige Altersversorgung
Netto-Einkommen: monatlich 3.100 Euro
Die maximal abzugsfähigen Beiträge zur Vermögensbildung beträgt 5% des Bruttoverdienstes, also im o.g. Beispiel 290 Euro.
Maximal abzugsfähiger Altersvorsorgebetrag: 290 Euro
Was wird bei den drei Beispielen nun berücksichtigt:
1. Beispiel: monatlicher Zinsanteil 400 Euro und Tilgungsanteil 100 Euro
a) Der angemessener Wohnwert beträgt: 60m² x 10 Euro (Vergleichsmiete „kalt“) = 600 Euro Wohnwert
b) Zinsabzug, mtl. Zinsen 400 Euro: 600 Euro – 400 Euro (Zins) = 200 Euro Wohnwert
c) Wohnvorteil: 200 Euro Wohnwert - 100 Euro Tilgung = 100 Euro Wohnvorteil (positiver Wohnvorteil)
d) Erhöhung des Nettoeinkommes um: 100 Euro Wohnvorteil
e) Nettoeinkommen: 3.100 Euro + 100 Euro Wohnvorteil - 290 Euro (5%)
Ergebnis:
- Fiktives Nettoeinkommen = 2.910
- Abzugsfähiger Altersvorsorgebetrag: 290 Euro
- Der maximale Vorsorgebetrag von 290 Euro kann somit noch voll verwendet werden.
- Der Wohnvorteil wird einkommenserhöhend angesetzt.
Aufgrund des aktuellen Urteils wird der o.g. positiver Wohnvorteil dem Einkommen aufgeschlagen und der Altersvorsorgebetrag von 290 Euro dann abgezogen. Es besteht für die freie private Alersversorgung dann immer noch der komplette Altersvorsorgebetrag von monatlich 290 Euro zur Verfügung. Da Zins und Tilgung zusammen (500 Euro) kleiner sind als der Wohnwert (600 Euro), dürfen die Tligungsaufwendungen nicht auf den Altersvorsorgebeitrag angerechnet werden. Es erfolgt somit keine Anrechnung bis zum angemessenen Wohnwert von 600 Euro. Darüber hinaus verhält sich das jedoch anders.
2. Beispiel: monatlicher Zinsanteil 500 Euro und Tilgungsanteil 150 Euro
a) Der angemessener Wohnwert beträgt: 60m² x 10 Euro (Vergleichsmiete „kalt“) = 600 Euro Wohnwert
b) Zinsabzug, mtl. Zinsen 500 Euro: 600 Euro – 500 Euro (Zins) = 100 Euro Wohnwert
Zins und Tilgung zusammen sind jetzt um 50 Euro höher als der Wohnwert. Die Gesamtzinsen sind in diesem Beispiel jedoch kleiner als der Wohnwert. Im zweiten Schritt der Berechnung wird der Tilgungsanteil wie folgt berücksichtigt:
c) Wohnvorteil: 150 Euro Tilgung - 100 Euro Wohnwert = -50 Euro Wohnvorteil (negativer Wohnvorteil)
d) Nettoeinkommen: 3.100 Euro - 50 Euro Wohnvorteil - 240 Euro (5%; 290 Euro - 50 Euro))
Ergebnis:
- Fiktives Nettoeinkommen = 2.810 Euro
- Abzugsfähiger Alters-Vorsorgebetrag: 240 Euro Restbetrag (290 Euro- 50 Euro)
- Der maximale Alters-Vorsorgebetrag ist somit nicht ausgeschöpft.
- Der Wohnvorteil wird nicht einkommenserhöhend angesetzt.
- Risiko: Bestehende private Altersvorsorgebeiträge werden nicht mehr voll berücksichtigt und müssten eventuell geküdigt werden, wenn der unterhaltspflichtige Betrag keinen finanziellen Raum mehr lässt.
Aufgrund des aktuellen Urteils wird der o.g. Wohnvorteil von - 50 Euro dem max. abzugsfähigen Alersvorsorgebetrag von 290 Euro abgezogen. Es besteht für die freie private Altersversorgung dann noch ein Betrag Verfügung von 240 Euro zur Verfügung. Der Abzug vom Altersvorsorgebetrag stellt keine unzumutbare Benachteiligung dar, auch wenn durch den Abzug eine teilweise Einschränkung der Anlagewahl besteht (z.B. statt dessen Fondssparvertrag, Lebensversicherung, etc.). Begründet wird es damit, dass aufgrund einer fortlaufende Bildung von unbelasteten Eigentum in angemessener Weise für den eigenen Wohnbedarf im Alter Vorsorge getroffen wird. Was passiert jedoch bei einer höheren Tilgungsleistung, siehe Beispiel 3.
3. Beispiel: monatlicher Zinsanteil 500 Euro und Tilgungsanteil 400 Euro
a) Der angemessener Wohnwert beträgt: 60m² x 10 Euro (Vergleichsmiete „kalt“) = 600 Euro Wohnwert
b) Zinsabzug, mtl. Zinsen 600 Euro: 600 Euro – 500 Euro (Zins) = 100 Euro Wohnwert
Zins und Tilgung zusammen sind jetzt um 300 Euro höher als der Wohnwert. Die Gesamtzinsen sind in diesem Beispiel jedoch kleiner als der Wohnwert. Im zweiten Schritt der Berechnung wird der Tilgungsanteil wie folgt berücksichtigt:
c) Wohnvorteil: 400 Euro Tilgung - 100 Euro Wohnwert = -300 Euro Wohnvorteil (negativer Wohnvorteil)
d) Nettoeinkommen: 3.100 Euro - 290 Euro maximaler Vorsorgebetrag (da komplett ausgeschöpft wird)
Ergebnis:
- Fiktives Nettoeinkommen = 2.810 Euro
- Der maximale Alters-Vorsorgebetrag ist komplett ausgeschöpft. Darüber liegende Beiträge werden nciht berücksichtigt.
- Der Wohnvorteil wird nicht einkommenserhöhend angesetzt.
- Risiko: Bestehende private Altersvorsorgebeiträge werden nicht mehr berücksichtigt und müssten eventuell geküdigt werden, wenn der unterhaltspflichtige Betrag keinen finanziellen Raum mehr lässt.
Im Beispiel 2 wurde der komplette Wohnwert und die Tilgungsleistung berücksichtigt. Im Beispiel 3 ist jedoch der Gesamtbetrag höher als der maximale Vorsorgebetrag. Rechnung: Restliche Tilgungsleistung von 300 Euro (negative Wohnvorteil) - 290 Euro Vorsorgebetrag = 10 Euro offene Tilgungsleistung. Dieser Betrag wird nicht vom Netto abgezogen und kann somit auch nicht für anrechenbare Vorsorgebeträge genutzt werden. Dieser Betrag fällt also "unter dem Tisch". Folglich wird dieser Beitragsteil, falls er bereits für einen Altersvorsorge-Sparvertrag benutzt wird, bei einer unterhaltsverpflichtende Zahlung nicht berücksichtigt. Im schlimmsten Fall muss man seinen Sparvetrag dann kürzen.